Die Geschichte des Presseladen.
Seit 1973.
Der Verein Presseladen wurde im März 1973 als Zusammenschluss «freiberuflicher Informationsschaffender» ins Leben gerufen.
Nach einigen Monaten Vorbereitung gründeten freischaffende Journalistinnen und Journalisten in Zürich am 30. März 1973 den Verein Presseladen. Gemäss Statuten vertreten seine Mitglieder eine «fortschrittlich-soziale» Grundhaltung. Man verstand sich seit Anbeginn als «Büro für freiberufliche Informationsschaffende» und liess sich im Handelsregister eintragen.
Die Ansprüche waren ehrgeizig. Die Mitglieder des Presseladen-Teams leisteten in den ersten 2-3 Jahren einen Teil ihrer Arbeitszeit in «Fronarbeit». Und zwar für feste Aufträge, die man bei Annabelle (400 Franken/ Monat) oder dem Pressedienst der Schweiz. Krankenkassen (2000 Franken/ Monat) als Team übernommen hat. Die Erträge flossen teilweise in eine gemeinsame Kasse, aus der (damals teure) Anschaffungen wie die Telefonanlage, den Telex-Nachrichtenticker oder das Archiv finanziert wurden.
Als Artikel noch abgelegt wurden
Das Archiv war der Stolz des Büros; der Presseladen wurde darum in der Zürcher Medienszene beneidet. Jede Woche musste ein anderes Presseladenmitglied über ein Dutzend Tageszeitungen samt «Spiegel» durchackern und Artikel von Interesse ankreuzen. Dabei wurde jeweils die ganze Zeitungsseite ausgerissen, auf A4-Format zusammengefaltet, fortlaufend nummeriert, gelocht und in Ordnern mit jeweils 100 Zeitungsseiten abgelegt. Dazu gehörte natürlich der Zettelkasten mit den Karteikarten, auf denen die Seitennummern eingetragen waren.
Neben festen Mandaten schrieben einzelne auch regelmässig für die Weltwoche (damals unter dem legendären Chef Hans O. Staub) oder die Gratiswochenzeitung Züri Leu. Grosse Beachtung fand 1976 in Zürich etwa eine Porträtserie des Presseladens über Stadtratskandidaten im Züri Leu. Daneben wirkte Presseladen-Gründungsmitglied Sil Schmid als Korrespondentin für das schwedische Radio und stellte für das Radio Beromünster eine Serie über die Stellung der Frauen zusammen. Der Presseladen war damals beauftragt, die mediale Verbreitung einer komplexen und differenzierten Frauenstudie der Uni Zürich zu besorgen, was weite Beachtung fand. Max Jäggi († 1995) verfasste 1975 für die Schweizer Illustrierte eine gutgelesene Beizenserie. Presseladenleute waren in der zweiten Hälfte der 70er Jahre auch in deutschen Medien gefragt, so vor allem Otmar Schmid als Kameramann, etwa beim ZDF.
Buchprojekt «Das Rote Bologna»
Der Presseladen florierte: 1973 wurde ein Ertragsüberschuss von 6966. 25 Franken erarbeitet; . Daraus wurde eine kollektive Krankentaggeldversicherung finanziert. 1979 konnten Honorareingänge von 53‘254 Franken verbucht werden Dank der gut gefüllten Kasse wurde auch die Realisierung eines Medienprojekts möglich: 1974 schrieben Max Jäggi (†), Roger Müller (†), Sil Schmid und Otmar Schmid (auf dem Bild unten v.l.) «Das Rote Bologna». Das Buch umfasste 220 Seiten und enthielt 40 Bildseiten von Otmar Schmid. Bologna war in den 1970er und 1980er Jahren wegen seiner fortschrittlichen Stadtplanung, Verkehrs- und Umweltpolitik lange Zeit eine Pilgerstätte für deutsche und Schweizer Kommunalpolitiker und Stadtplaner. Die Stadt zählte lange zu den Hochburgen der Linksdemokraten, der Nachfolgeorganisation der Kommunistischen Partei Italiens (KPI).
In den 70er/80er Jahren legte der Oberst Cincera eine Fiche über den Presseladen an. Am zweiteiligen Buchprojekt «Unheimliche Patrioten» (Limmatverlag 1984) waren Peter Niggli, Ueli Haldimann, Peter Haffner vom Presseladen beteiligt.
Gäste im Presseladen
Das Faxgerät (mit Thermopapier) wird Ende der 80er Jahre manchmal von der nahe gelegenen Redaktion der WOZ benutzt. 1984/85 war mit Fredi Hänni zeitweise das Sekretariat der Gewerkschaft SJU (Schweizer Journalistenunion) im Presseladen vertreten. 1988 mietete sich für zwei Jahre die «Agencia Nueva Nicaragua» ANN in den Räumen ein.
Hohe Ansprüche
Die Ansprüche des Teams an die eigene Arbeit waren hoch. Man traf sich regelmässig zu kleinen und grossen Presseladen-Konferenzen, an denen inhaltliche Diskussionen stattfanden und über Strategien und Projekte gerungen wurde. Die Konferenzen waren jeweils soziale Höhepunkte; die Anwesenheit war verpflichtend. Man begab sich sogar auf Retraiten auf die Lenzerheide oder an den Walensee. An diesen Sitzungen ging es zeitweise hoch zu und her: Drei Jahre nach Gründung, im März 1976, kam es zu einer Krise. Dabei wurde gar ein Antrag auf Auflösung des Büros gestellt. 1976 entschied man sich jedoch fürs Weitermachen.
Der Presseladen heute
In den bald 50 Jahren seines Bestehens ist der Name «Presseladen» zu einem Markenzeichen geworden, einer Hochburg des freien Journalismus. Lange Jahre waren Presseladenmitglieder als Korrespondenten für Schweizer Zeitungen (BaZ, Berner Zeitung, Südostschweiz, St. Galler Zeitung etc.) tätig. Aus Spargründen ging diese Korrespondenz leider fast ganz verloren. Der Presseladen beherbergt aber auch Redaktions-Aussenstellen von Zeitschriften wie Edito, Nachbarn oder casa nostra, und zurzeit auch die Deutschweizer Koordinationsstelle von Reporter ohne Grenzen. Seit 10-15 Jahren zeichnet sich ab, dass der klassische Freie der alten Printmedien zunehmend ein Auslaufmodell wird. Dies hat mit den gewaltigen Umbrüchen im Medienwesen zu tun, der Verlagerung von Werbevolumen in die elektronischen Medien und den knapperen Budgets der Verlage. Gespart wird bei den Freien. Dies zeigt sich auch bei Veränderungen im Presseladen. Sind Büroplätze vakant, melden sich heute nicht mehr in erster Linie Journalisten, sondern artverwandte Berufsgattungen wie Korrektur oder Lektorat, Webdesign, Fotografie, Kommunikation und Projektarbeit.
Zum Gebäude an der Weinbergstrasse 133
In den Räumen an der Weinbergstr. 133 war vor dem Einzug des Presseladen 1973 das Kleingewerbe heimisch, nämlich die Schuhmacherei Opitz und früher um die Jahrhundertwende die kleine Zigarettendreherei der Marke «Heros» untergebracht. Das würde zu den späteren Benutzern passen: Der Presseladen war in Zürcher Medienkreisen nämlich nicht nur als linkes Etablissement, sondern auch als «Kampfraucher»-Büro bekannt. Nichtraucher atmeten dankbar auf, als die Räume 1995 für rauchfrei erklärt wurden.
Stimmen Ehemaliger
Sil Schmid (1973-1978) «Was nicht zu vergessen ist: Der Presseladen hatte eine Küche mit einem Gasherd und einem runden weissen Gartentisch. Der war das soziale Zentrum. Am Mittag verwandelte sich unsere Büro-Arbeitsgemeinschaft jeweils in eine Art Beiz. Die war wie folgt organisiert: Jedes Mitglied hatte im Turnus eine «Dienstwoche»: Er (sie) musste um 9 Uhr im Büro sein, das Telefon abnehmen, die Post abholen und das Archiv nachführen. Das hiess, die 8 oder 10 Zeitungen lesen und die interessanten Titel markieren. Vor allem aber mussten die «Dienstwöchner» jeden Mittag eine Suppe kochen, inklusive anschliessendem Abwasch. Es versteht sich, dass nicht alle Suppen gleich schmackhaft und alle Teller gleich sauber waren, was ab und zu heftige, WG-mässige Dispute auslöste.
Ueli Haldimann (1978-1985) «Die Stärke des Presseladens war, dass er für kommerzielle Medien gute Arbeit lieferte, pünktlich und gut recherchiert und geschrieben. Etliche Aufträge wurden auch erteilt, weil der Presseladen auch aufwändige Projekte bearbeiten konnte, an denen ein oder mehrere Schurnis zusammen mit Fotograf Otmar arbeiteten, die dann ein pfannenfertiges Produkt ablieferten. Jürg Wildberger und ich haben zum Beispiel für die Bilanz ein Spezial über die SRG geschrieben.»
Beat Wieser (1973-1976) «Anfang der 70er Jahren hatten ich und Thomas Kurz ein Pressebüro, ebenso Sil Schmid und Max Jäggi. Beide Büros funktionierten gut; es gab genügend Aufträge im Inland und in Deutschland. Aber beide verband uns das gleiche Ziel: Professionalisierung. Und so taten wir uns zusammen und gründeten den Presseladen. Vier Journalisten und der Fotograf und Kameramann Otmar Schmid, der ein eigenes Fotolabor einrichten konnte. Vorbild war das Büro Cortesi, wir wollten so viel Power entwickeln, wie die Kollegen in Biel, aber nicht so kommerziell werden. Vorbild unserer umfangreichen Presse-Dokumentation war das Archiv des damaligen Spiegel-Korrespondenten Ludwig A. Minelli.
Vorbild unserer publizistischen Grundhaltung waren Zeitschriften wie «Spiegel» und «Stern» und ein paar Tageszeitungen in Schweden und Deutschland. Der Presseladen war kein politisches Projekt, unser Ehrgeiz waren professionell recherchierte und gut geschriebene kritische Geschichten. Dieses Ziel versuchten wir zu erreichen durch Zusammenarbeit. Jeder brachte zwar seine eigenen Auftraggeber mit in die Ehe und jeder arbeitete damals noch auf eigene Rechnung. Wir halfen uns aber gegenseitig, besser recherchierte und besser geschriebene Geschichten zu produzieren. In der Küche fanden jeweils die gnadenlosen Kritiksitzungen statt. Auch noch so gute Artikel wurden in ihre Einzelteile zerpflückt: Sind die Fakten genügend gecheckt, welches sind Deine Quellen, warum hast Du dies und das so und so formuliert, hättest Du die Geschichte nicht anschaulicher erzählen können, weshalb hast Du diese und jene Frage nicht gestellt, weshalb hast Du den und die nicht interviewt? Wir waren Puristen eines kritischen Journalismus, mit dem sich z.B. PR-Aufträge nicht vertragen hätten. Eines Tages beschlossen wir, einen weiteren Professionalisierungs-Schritt zu wagen. Wir wollten bestimmte Themen gemeinsam recherchieren, anschliessend sollte dann jeder versuchen, in «seinen» Medien eine Geschichte zu publizieren. Zudem wollten wir uns nicht mehr nur auf die geschriebene Presse beschränken. Sil Schmid hatte einen Draht zum Radio, mein Job war es, einen Versuch beim Fernsehen zu starten.»